Bei Reisebeschränkungen empfiehlt sich die Reise nach Innen.
Schon wieder haben wir den Salat – Corona ist immer und überall. Draussen wird es kälter und die Fallzahlen steigen nach Oben. In den Zug und ab in den Süden ist nicht mehr easy; ebensowenig die Fahrt in den Norden, Osten, Westen. Vorher tätowierten wir uns noch den Kompass auf die Haut: als Zeichen der Navigation durch das Leben, und für unsere Sehnsucht nach fremder Erfahrung, fremder Haut, exotischen Städten und Stränden.
Ist das nun alles vorbei? Hoffentlich nicht! Aber es ist die Frage, wie wir unsere Lust auf Abenteuer ausleben bis die Pandemie vorbei ist. Die Reiselust einstellen? Nicht gerade erotisch. Aber die Begierde des Fleisches muss warten. Es gibt einen Lichtblick, und dieses Licht finden wir in uns selbst. Diese Reise kann keiner aufhalten. Weder Viren noch Regierungen. Die innere Reise ist eine mystische Reise, die dich mit den Archetypen in dir bekannt macht. Die Archetypen, das sind die Bilder der Erfahrungen, denen du im Leben begegnest. Auf der Reise nach Innen findest du Bilder vor, die sich hervorragend als Tattoo-Motive eignen. Diese Bilder sind ganz persönliche Eindrücke deiner Seelenwelt. Das können Heldenfiguren ein, Zauberer und süße Verführungen, wie Elfen und Sirenen. Alles ist möglich. Die Realität ist aufgespalten, und Illusionen sind auf einmal wahrer als jede Postkarte von irgendwo.
Der Mensch lebt von seinen Illusionen.
Klar, dass man jetzt an Drogen denkt. Und vorneweg, ich bin kein Freund irgendwelcher unreflektierter Experimente, insbesondere wenn es um Körper und Geist geht. An dieser Stelle ist viel Erfahrung, Respekt vor der Natur und Reisefertigkeit notwendig. Pfadfindertugenden braucht es auch für die Reise nach Innen:
„Ein Pfadfinder ist rein in Gedanken, Worten und Taten.“ (Regel Nummer 10)
Für das Reisen und das „neue Wege beschreiten“ ist eine klare Haltung notwendig, Trips sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Drogen, bzw. Subtanzen, die psychoaktiv wirken, sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ermöglichen sie den Eintritt zu den Pforten der neuen Wahrnehmung, wie es Aldous Huxley formulierte. Andererseits skizziert derselbe Autor in seinem Buch „Brave New World“ eine Welt, in der die einzelnen Bürger durch Drogen kontrolliert und ent-individualisiert werden. Psychoaktive Substanzen haben beide Potentiale in sich – darum: sehr aufpassen mit der Reise in die eigene Innenwelt. Ein klarer Geist ist notwendig. Vielleicht müssen aber nicht alle Pfadfindertugenden zum Einsatz kommen. Auf diese kann dann doch verzichtet werden:
„Ein Pfadfinder befolgt die Anweisungen seiner Eltern, seines Kornetts oder Pfadfinderleiters ohne Frage.“ (Regel Nummer 7)
Bei der Reise nach Innen gilt es, sich frei von Konventionen zu machen – weder das Diktat von Drogen, noch von den Eltern ist hier hilfreich.
Tattoos wirken auch nach Innen. Eine Reise in die innere Bilderwelt.
Wie aber kann ich angemessen die Reise in meine innere Bilderwelt antreten. Es gibt auch „gesunde“ Arten, Wahrnehmungsforschung zu betreiben. Von Meditation, Atemtechniken, Träumen, bis hin zu Microdosing gibt es hier viele Angebote. Microdosing bedeutet, dass eine sehr kleine Dosis von halluzinogenen Drogen psychedelische Erfahrungen ohne Nebenwirkungen verschafft. Auch die Lucia No. 3 Lichtmaschine, und das durfte ich schon einmal selbst testen, erzeugt mit Flackerlicht Effekte im Wahrnehmungsapparat, die sich im Inneren meines Gehirns explosiv ausbreiten.
Das können auch Bilder sein, wie ich sonst nie vor Augen habe. Sie zeigen sich gewissermassen hinter den Augen. Von roten springenden Pferden, bis blaue Kugeln, schwarzen Tänzern und vielen damit verbundenen Emotionen habe ich viele Eindrücke von dieser Reise mitnehmen dürfen. Und das beste: „Der Vorteil gegenüber chemischen Substanzen ist, dass man die Lampe ausschalten kann, wenn einem unwohl wird – und sofort ist alles vorbei.“, sagt Raf Buchner, Professor an der Münchner Hochschule für angewandte Wissenschaften im Magazin “Spiegel”. Ralf Buchner hat es uns damals möglich gemacht, die Lichtmaschine auszuprobieren. (Link: hier)
Diese Zugfahrt kann ich empfehlen. Die Bilder dieser Reise kann ich mir als Souvenirs hervorragend auf die Haut tätowieren. Wie mit einer Reise in ein fremdes Land, bekomme ich bei der Reise ins Innere visuelle Eindrücke, die mir nachdrücklich in Erinnerung bleiben. Und mich auch geistig weiterbringen. Und Horizonte öffnen. Solche Reisen sind in den reisebeschränkten Zeiten eine Alternative, die sich lohnt. Es wird nicht langweilig. Ich kann in meinen vier Wänden Erfahrungen machen, und von diesen Erfahrungen mit meinen Tattoos erzählen.
(Text: Julian Bachmann / Illustration: Jonas Bachmann)