Quatsch mich (nicht?) an – Tattoos als Gesprächs-Opener?

Kolumne • von Dirk-Boris Rödel

Ich hab ja zu vielen Themen eine Meinung, sicher nicht zu allen, man muss ja auch nicht zu allem eine Meinung haben.

Aber was Tattoos angeht, da habe ich natürlich zu vielen Aspekten eine Meinung und so bin ich beispielsweise der Ansicht, das Tätowierungen praktisch unvermeidlich immer einen kommunikativen Aspekt haben. Man teilt ja durch das Bild, das man auf der Haut trägt, der Außenwelt unweigerlich etwas über sich mit; beispielsweise zeigt man mit einem Metallica-Tattoo, dass man auf Metallica steht oder outet sich mit dem Logo eines Fußball-Clubs als Fan des entsprechenden Vereins. Und bisher war ich eigentlich stets der Meinung, dass Tattoos sich damit doch eigentlich super dazu eignen, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Wenn man jemandem ein Kompliment zu seinem Tattoo macht oder fragt, welcher Tätowierer es gestochen hat, darüber freut sich doch jeder, oder?

Inzwischen bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher; denn neulich trug eine Bekannte von mir ein T-Shirt mit der Aufschrift »Meine Tattoos sind keine Aufforderung dazu, mich anzuquatschen«.

Da wurde mir klar, dass ich das Ganze möglicherweise ein bisschen zu naiv gesehen habe, denn als Mann wird man natürlich nicht all Nas lang unaufgefordert von fremden Kerlen angelabert, als Frau aber eben unter Umständen schon. Und wenn Leute, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben will, die Tätowierungen einer Frau dann als Alibi und Aufhänger für schmierige Kontaktaufnahme und dröge Pick-up-Lines instrumentalisieren… dann ist meine bisherige Ansicht, dass Tattoos tolle Konversationsstarter sein können, zumindest überarbeitungswürdig.

Ganz davon abrücken möchte ich nicht, denn ich denke, auch eine Frau kann einen Unterschied erkennen zwischen »das Neotraditional-Tattoo ist wirklich super gestochen, in welchem Studio hast du das denn machen lassen?« und »Hey Baby, an welchen Stellen bist du denn sonst noch so tätowiert?« Auf solche übergriffigen Anmachsprüche legt sicher keine Frau gesteigerten Wert – aber selbst auf ehrlich interessierte Nachfragen zu einem schönen Tattoo hat die Trägerin vielleicht nicht immer Bock.

Ich denke, es ist sicher auch abhängig von den Rahmenbedingungen, der Situation; auf einer Tattoo-Convention sind unter den Tattoo-interessierten Besuchern Fragen oder Kommentare zu einem Tattoo vermutlich naheliegender und akzeptierter als nachts in der U-Bahn, wenn nur zwei Leute im Abteil sitzen. Und letztlich lassen sich natürlich nicht nur Tattoos sondern auch andere Themen als Gesprächsopener oder Anbagger-Alibis ge- oder missbrauchen. Ich denke, da kommt es wohl in jedem Fall darauf an, wie man sprichwörtlich in den Wald hinein ruft und der oder die Angesprochene wird vermutlich eine Antenne dafür haben, ob Interesse, akzeptable Neugier oder plumpe Anbaggerei die Motivation für eine Kontaktaufnahme ist.

Aber dies sind lediglich einige Ideen, die mir zu diesem Thema im Kopf rum gehen und ich hab ja die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen.

Was denkt ihr darüber, welche positiven oder blöden Erfahrungen habt ihr mit Tattoos als Konversationsstarter? Freut ihr euch, auf eure Tattoos angesprochen zu werden oder nervt es eher? Oder von welchen Faktoren hängt es ab, ob ihr es eher gut oder doof findet?

Meine Bekannte hatte übrigens – dies nur noch zum Abschluss – mit ihrem T-Shirt nur mäßigen Erfolg. Zwar, so erzählte sie mir, würde sie mit dem Shirt tatsächlich weniger auf ihre Tattoos angequatscht – aber dafür eben ständig auf das T-Shirt.

Text: Dirk-Boris Rödel • Grafik: Jonas Bachmann (Studio Marco)

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